Das HGM muss ein Ort der Bildung und kritischer Reflexion auf internationalem Niveau werden

Mein Besuch des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) im Wiener Arsenal diese Woche stimmt mich nachdenklich. Obwohl die Architektur und einige der ausgestellten Relikte Besucher:innen aus aller Welt beeindrucken, sind die Ausstellungen teilweise eindimensional, sehr kriegsverherrlichend und entsprechen nicht dem zeitgemäßen Verständnis des Umgangs mit unserer Vergangenheit. Es fehlen unter anderem die sozialgeschichtliche Darstellung und die Kontextualisierung in Bezug auf die Opfer und Schrecken kriegerischer Auseinandersetzungen.

Das Heeresgeschichtliche Museum hat eine gesellschaftliche Bedeutung, es steht jedoch seit geraumer Zeit in der Kritik. Leider zu Recht. Heeresgeschichte ist sehr wichtig, doch sie ist nicht nur Herrschaftsgeschichte, in der sämtliche Adelsvertreter und Feldherren in imposanten Posen dargestellt werden sollten, sondern auch eine Erzählung von unterprivilegierten und sozial benachteiligten Gruppen.

Schicksale von einfachen Menschen und der Soldaten in allen historischen Epochen darzustellen, gehört mittlerweile zum internationalen Standard. Im HGM wird der Schwerpunkt einseitig-glorifizierend auf die Schlachten gelegt, ohne das damit verbundene Leid in einem sozialen und politischen Zusammenhang abzubilden. Hier fehlt es eindeutig an einer interdisziplinären Aufarbeitung.

Darüber hinaus hätte man auch die Geburtsstunde des Roten Kreuz thematisieren können, welches im Zuge der blutigen Schlacht bei Solferino gegründet wurde.

Für sehr problematisch halte ich die Darstellung der Zwischenkriegszeit und des österreichischen Bürgerkrieges von 1934. Viele Bilder und Devotionalien sind ohne erläuternde Begleittexte in den Schaukästen ausgestellt. Eine objektive Aufarbeitung dieser traumatischen Epoche findet nicht statt. Sie wäre aber gerade für das Geschichtsbild und das gesellschaftspolitische Verständnis unserer Soldatinnen und Soldaten immens wichtig.

Zudem werden die Gräueltaten des austrofaschistischen Ständestaates ausgeklammert, während im gleichen Atemzug der Diktator Engelbert Dollfuß als erstes Opfer Hitlerdeutschlands mystifiziert wird. Die Geschichtsverklärung findet nicht nur im Dollfuß-Museum im Textingtal, sondern auch im Heeresgeschichtlichen Museum statt. Hier ist dringend eine kritische Auseinandersetzung und eine schnellstmögliche Änderung der Ausstellung erforderlich. Jegliche Verzögerung wäre demokratiepolitisch unverantwortlich.

Absolut untragbar ist zudem die präsentierte NS-Zeit. Nationalsozialistische Devotionalien wie Hakenkreuz-Fahnen ohne Kontextualisierung und Erwähnung der Millionen Opfer sowie der Kriegsverbrechen in den Vitrinen zu präsentieren, ist auch aus internationaler Sicht äußerst bedenklich.

Bildungspolitisch bereichernd wäre auch die Darstellung von österreichischen Widerstandskämpfer:innen in der Wehrmacht, um nicht nur Besucher:innen aus dem In- und Ausland zu informieren, sondern vor allem um unseren Soldatinnen und Soldaten zu vermitteln, welche Opfer Militärs in der Vergangenheit für die Freiheit unseres Landes aufgebracht haben.

Auch die Geschichte der Volkswehr und des Österreichischen Bundesheeres insbesondere ab 1945 muss entsprechend eines modernen demokratischen Soldat:innenbildes gestaltet werden. Dabei wäre das Schwergewicht auf die internationalen Friedenseinsätze zu legen.

Es sollte jeden Besucher mit Stolz erfüllen, zu sehen, wie viel österreichische Soldaten seit 1960 für den Weltfrieden im Rahmen der UNO, OSZE, EU und NATO geleistet haben. Jene, die ihr Leben dabei geopfert haben, sollten namentlich genannt und einzeln gewürdigt werden.

Das HGM wurde, so ehrlich muss man dies ansprechen, von der Politik vernachlässigt und über Jahrzehnte sich selbst überlassen. Es wäre höchst an der Zeit, das Museum endlich nach internationalen Maßstäben zu modernisieren. Dazu braucht es Investitionen und den politischen Willen. Mit der Sozialdemokratie findet die Ressort- und Museumsleitung diesbezüglich eine starke Partnerin.

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