Nationalrat stimmt Umsetzung von EU-Richtlinie zum Schutz kritischer Infrastruktur zu
Parlament soll künftig Bericht über Sicherheitsmaßnahmen erhalten
Mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit der Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen sprach sich der Nationalrat heute für ein neues Gesetz zum besseren Schutz zentraler Infrastrukturen vor physischen Bedrohungen aus. Das " Resilienz kritischer Einrichtungen-Gesetz " (RKEG) dient der innerstaatlichen Umsetzung einer EU-Richtlinie, die angesichts zunehmender grenzüberschreitender Abhängigkeiten und Risiken europaweit einheitliche Mindeststandards für jene Einrichtungen vorsieht, die im Binnenmarkt unerlässliche Dienste erbringen. Darin vorgesehen ist auch, dass der Nationalrat jährlich einen Bericht über die ergriffenen Aufsichts- und Durchsetzungsmaßnahmen des Innenressorts sowie über eingetretene Sicherheitsvorfälle erhalten soll.
Massive Kritik kam nur von Seiten der Freiheitlichen, die von Zumutungen für die Betriebe sprachen, denen noch dazu "drakonische" Strafen angedroht würden. Außerdem erhalte der Innenminister neue Befugnisse, zumal er in Hinkunft in die betroffenen Firmen "einmarschieren" könne.
Innenminister Gerhard Karner hielt diesen Argumenten entgegen, dass es um den Schutz all jener Orte und Einrichtungen gehe, die das geregelte Zusammenleben der Bevölkerung sicherstellen. Er denke, dass es aufgrund aktueller Vorkommnisse "höchste Zeit" für die Umsetzung der EU-Vorgaben sei. Es sei auch im Interesse der Unternehmen selbst, dass die Resilienz noch weiter ausgebaut und gemeinsame Risikoanalysen durchgeführt werden, betonte der Ressortchef. Dabei gelte das Prinzip "Beraten statt Strafen"; dies sei die klare Vorgabe an die Behörden.
Der von den Grünen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die Ausarbeitung einer nationalen Drohnenschutzstrategie fand bei der Abstimmung keine Mehrheit.
Nationale Strategie zur Verbesserung der Resilienz kritischer Einrichtungen
Betroffen vom Gesetz sind insgesamt elf Sektoren, dazu gehören etwa der Energiesektor, der öffentliche Verkehr, die Finanzwirtschaft, die Lebensmittelversorgung, die Telekommunikation und der Gesundheitsbereich. Dem Innenminister soll die Erarbeitung einer nationalen Strategie zur Verbesserung der Resilienz kritischer Einrichtungen wie auch einer nationalen Risikoanalyse obliegen, auf deren Basis die jeweils durch Bescheid ermittelten kritischen Einrichtungen eigenständige Risikoanalysen durchzuführen haben. Aufgrund der Befugnisse des Innenministers enthält das Gesetz Verfassungsbestimmungen, wodurch zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen müssen.
FPÖ: Unternehmen werden mit drakonischen Verwaltungsstrafen bedroht
Das Gesetz sei ein Paradebeispiel für standort- und wettbewerbsschädliche Politik, urteilten Barbara Kolm und Michael Schilchegger (beide FPÖ). Sie warfen dem Innenminister vor allem vor, dass bei der Umsetzung der Richtlinie nicht die Kooperation mit den betroffenen Unternehmen gesucht werde. Stattdessen würden alle Betriebe verpflichtet, selbst Risikoanalysen auszuarbeiten und diese dann dem Innenressort zu übermitteln. Bei Zuwiderhandeln können Verwaltungsstrafen von bis zu 50.000 Ꞓ verhängt werden, zeigte Schilchegger auf. Bei der Nicht-Umsetzung von angeordneten baulichen Maßnahmen würden sogar Strafen bis zu einer halben Million Euro drohen. Kritik übte er auch an den neuen Befugnissen für den Innenminister, der nunmehr in vertrauliche Geschäftsunterlagen Einsicht nehmen könne. Dies sei ein weiterer Schritt in Richtung "Überwachungsstaat", beklagte Kolm (FPÖ), zudem schaffe die Regierung ein weiteres "Bürokratiemonster". Der freiheitliche Zivilschutzsprecher Alois Kanz wies darauf hin, dass viele wichtige Fragen noch offen seien und nicht einmal das Ministerium genau wisse, wie viele Unternehmen betroffen seien.
ÖVP: Sicherheit muss europäisch gedacht werden
Was ein schwerwiegender Angriff auf die kritische Infrastruktur sei, habe sich erst kürzlich am Flughafen Kopenhagen gezeigt, als gefährliche Drohnen geortet wurden, zeigte Wolfgang Gerstl (ÖVP) auf. Auch in Österreich gebe es immer wieder Cyber-Angriffe auf Ministerien oder Spionagevorfälle in Top-Unternehmen. Schon diese wenigen Beispiele würden zeigen, warum man die kritische Infrastruktur bestmöglich schützen und deren Widerstandsfähigkeit deutlich erhöhen müsse. Da Sicherheit aufgrund der zunehmenden Vernetzung europäisch gedacht werden müsse und neben staatlichen auch private Einrichtungen betroffen seien, setze man heute die vorliegende EU-Richtlinie um, erläuterte Gerstl. Die Ablehnung des Entwurfs durch die FPÖ zeige nur, dass sie sicher keine "Sicherheitspartei" sei, resümierte Friedrich Ofenauer (ÖVP).
SPÖ: Sinnvolle Regelungen zum Schutz der "Lebensadern der Republik"
Auch wenn der Titel des Gesetzes etwas sperrig klinge, gehe es um etwa Existenzielles, gab SPÖ-Abgeordneter Robert Laimer zu bedenken. Im Fokus stehe nämlich der Schutz all jener Sektoren, die das Land am Laufen halten, von der Versorgung mit Lebensmitteln, Strom und Wasser bis hin zur Telekommunikation und dem Transport. Es handle sich um ein gesamtstaatliches Projekt, in das auch das Bundesheer eingebunden sei. Was die Kritik der FPÖ betrifft, so gab sein Fraktionskollege Christian Oxonitsch zu bedenken, dass die Unternehmen massiv darunter leiden würden, wenn etwa die Lieferketten unterbrochen oder die Telekommunikationsinfrastruktur nicht funktionieren würden.
NEOS: Vernünftiges Gesetz zur Erhöhung des Resilienzniveaus
Die Auswirkungen von hybrider Kriegsführung seien real und deswegen müsse die Infrastruktur dagegen geschützt werden, hielt Veit Dengler (NEOS) den Freiheitlichen entgegen. Die Unternehmen seien erprobt in der Erstellung von Risikoanalysen, könne er aus eigener Erfahrung sagen, und auch Gold Plating wurde bei der Umsetzung der Richtlinie vermieden.
Grüne plädieren für eine nationale Drohnenschutzstrategie
Es handle sich um ein sehr wichtiges Gesetz, das zum richtigen Zeitpunkt komme, war auch Agnes Sirkka Prammer (Grüne) überzeugt. Es bleibe wohl niemanden verborgen, dass die Gefahren bezüglich der Infrastruktur stetig zunehmen, weshalb entsprechend reagiert werden müsse. Wenn kritische Einrichtungen ausfallen, dann werde das jeden Einzelnen betreffen, und zwar von der fehlenden Versorgung mit Bargeld oder Lebensmitteln, bis hin zum Bedienen der Klospülung. Die Ablehnung des Gesetzes durch die FPÖ könne sie daher in keinster Weise nachvollziehen. Was jedoch noch fehle sei eine nationale Drohnenschutzstrategie, weil es für dieses neuartige Problem einen Plan brauche, forderte Prammer (Grüne) im Rahmen eines Entschließungsantrags.
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