Parlamentsrede “Gedenken an das Massaker von Srebrenica”
Sehr geehrte Damen und Herren!
Am 11. Juli und in den darauffolgenden Tagen des Jahres 1995 hat das bis dato schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im bosnischen Srebrenica stattgefunden an dem über 8.000 Bosniaken – fast ausschließlich Männer und Jugendliche im Alter von 13 bis 78 Jahren – grausam ermordet wurden.
Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag bezeichnete das Massaker als Völkermord. Der Internationale Gerichtshof hat die systematischen Massentötungen ebenfalls als Genozid deklariert.
Wir dürfen diesen Völkermord, der vor 27 Jahren nur unweit von Österreich stattgefunden hat, niemals vergessen und müssen uns stets in Erinnerung rufen, zu welchen Gräueltaten Menschen im Namen des Krieges fähig sind. Blinder, hasserfüllter Nationalismus und seine abscheulichen Auswüchse wie die Vernichtung von Ethnien und Kulturen, die gewaltsame Vertreibung von Millionen von Menschen, Folter, Vergewaltigungen, Verschleppungen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht etc. haben immer unsagbares Leid, Schmerz – und im Falle der Balkankriege – weit über 200.000 Tote mit sich gebracht. Es ist ein Versagen der Menschheit, sich gegenseitig abzuschlachten.
Das Gedenken an den Völkermord in Srebrenica und die Solidarität mit den Opfern ist daher von großer Bedeutung, um das historische Bewusstsein dafür zu schärfen, dass solche fürchterlichen Verbrechen nie wieder – gleich auf welchem Kontinent und von welchen Konfliktparteien – verübt werden dürfen. Denn eines sei an dieser Stelle schon erwähnt: gerade im Jugoslawienkrieg gab es von mehreren Seiten Kriegsverbrechen und Gewalttaten an Frauen, Kindern und älteren Menschen. Hier sollten wir keinesfalls Gefahr laufen, furchtbare Verbrechen moralisch unterschiedlich zu bewerten.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch klar und unmissverständlich festzuhalten, dass Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung niemals gerechtfertigt sind – gleich von welchem Bündnis diese erfolgen.
Ich selbst war vor zwei Wochen im Rahmen eines 3tätigen Prüfbesuches der Parlamentarischen Bundesheerkommission bei EUTCON EUFOR ALTHEA in Bosnien-Herzegowina. Von der Hauptstadt Sarajevo aus haben wir mehrere Truppenstützpunkte in Bosnien besucht. Wir haben uns vor Ort mit politisch Verantwortlichen, Botschaftern, Soldaten des Österreichischen Bundesheeres und Einheimischen ausgetauscht bzw. die aktuelle Stimmungslage erhoben.
Als Parlamentarier konnten wir uns schließlich einen guten Überblick verschaffen, welches „Erbe die Bomben und Kugeln“ im bosnischen Teil des ehemaligen Vielvölkerstaats Jugoslawien hinterlassen haben. Noch immer treten offen Narben zutage. Und noch immer finden sich nationalistisch-verblendete Akteure, die für ein vergiftetes politisches Klima im Land verantwortlich sind und auf der Klaviatur nationaler Interessen das Trennende vor das Gemeinsame stellen.
Anstatt positiv für eine gemeinsame Zukunft zu arbeiten und das Land auf absehbare Zeit in die Europäische Union zu führen, gibt es Ressentiments, die eine große Gefahr für die Stabilität, den Frieden und die Rechtsstaatlichkeit darstellen.
Österreich hat hier eine besondere Verantwortung. Wir haben diese mit den beiden hoch angesehenen Spitzendiplomaten Dr. Wolfgang Petritsch und Dr. Valentin Inzko – ihres Zeichens Hohe Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina, bereits in der Vergangenheit klar zum Ausdruck gebracht und umgesetzt.
Wir müssen diesen Weg jedoch auch weiterhin konsequent beschreiten und Bosnien-Herzegowina sowie die Länder des Westbalkans bei der Aufnahme in die Europäische Union unterstützen. Diese Staaten verdienen eine europäische Perspektive und eine friedvolle Zukunft mit Prosperität. Das ist der beste Schutz, um solche Gräueltaten in dieser Region nie wieder aufleben zu lassen.
Abschließend möchte ich auf eine Entschließung des Europäischen Parlaments bezugnehmen, in dieser der 11. Juli zum Europäischen Gedenktag für die Opfer des Massakers von Srebrenica ernannt wurde. Damit gedenkt Europa aller Opfer des Völkermordes von Srebrenica und all der schrecklichen Gewalttaten während der Balkankriege und zollt ihnen Respekt, spricht den Angehörigen der Opfer, die oftmals keine endgültige Gewissheit über das Schicksal ihrer Verwandten haben, sein Mitgefühl aus und bekundet seine Solidarität mit ihnen.