Ist Costa Rica unser Vorbild in punkto Landesverteidigung?
Vorweg: Es ist völlig unbestritten, dass sich das österreichische Bundesheer, insbesondere in Zeiten wie diesen, weiterentwickeln muss, um seinen Auftrag zur militärischen Landesverteidigung auch zukünftig erfüllen zu können.
Jede Reform muss allerdings zielgerichtet und zweckmäßig sein. Diese ÖVP-Heeresreform des ÖVP-Generalsekretärs, zumal ein Schüler Ernst Strassers, ist es absolut nicht.
Es ist daher angebracht, diese Reform so schnell wie möglich zu evaluieren, um die absehbaren Fehlentwicklungen zu vermeiden.
Es ist nicht die Zeit für Experimente auf Kosten unserer Sicherheit. Oder anders ausgedrückt: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
Nachfolgend eine knappe Darstellung meiner zentralen Kritikpunkte:
Kritikpunkt 1: Verfassungsrechtliche Trennung der Zentralstelle vom Bundesheeres aufgehoben
Aus der verfassungsrechtlichen Systematik ergab sich bisher eine strikte organisatorische Trennung zwischen dem Generalstab (als Teil des Verteidigungsministeriums) und dem durch die Kommandanten geführten Bundesheer.
Dieser verfassungsmäßige Grundsatz ist bereits seit Juli 2021 in der Realität aufgehoben, ist doch der Generalstabschef sowie seine Generalstabsabteilung seit der damaligen Weisung durch die Bundesministerin im BMLV organisiert.
Zeitgleich jedoch ist dieser aber auch in der Rolle des Kommandanten des Bundesheeres tätig. Damit ist die verfassungsrechtlich gebotene Trennung de facto obsolet.
Die Gliederung der Zentralstelle in Generaldirektion und Direktionen widerspricht auch der grundsätzlich Intention des Bundesministeriengesetzes, das Sektionen, Gruppen, Abteilungen vorsieht.
Die Amtswirtschaftsstelle, das ist jene Stelle, die für „Papier und Bleistifte“ zuständig ist, wird nunmehr von der Nachordnung in die Zentralstelle gehoben. Die militärischen Experten des Generalstabs werden von der Zentralstelle in die Nachordnung verschoben.
Entspricht diese ÖVP-Logik von „Weniger Verwaltung, mehr für die Truppe“ jedoch der Realität? Eine Zentralstelle, die sich ums Papier kümmert? Wohl nicht!
Kritikpunkt 2: Es gibt keine operativen Kommanden des Bundesheeres mehr
Bisher wurde das Bundesheer durch die beiden Kommanden der Streitkräfte in Graz bzw. Salzburg und der Streitkräftebasis in Wien geführt. Diese waren nach militärischen Grundsätzen organisiert.
Die Generaldirektion Landesverteidigung ist nunmehr nach dem Modell der „Generaldirektion für Öffentliche Sicherheit“ im Innenministerium aufgebaut. Militärische Notwendigkeiten wurden schlichtweg ignoriert und negiert.
Es ist nach wie vor völlig ungeklärt, warum man in Zeiten wie diesen, die seit vielen Jahrzehnten entwickelte und in allen Krisen und Einsätzen bewährte militärische Führungsorganisation nunmehr nach den Prinzipien einer Polizeiorganisation im Innenministerium organisiert. Ernst Strasser lässt grüßen.
Dafür gibt es keine internationalen Vorbilder. Außer vielleicht Costa Rica, wo das Militär aufgelöst und in die Polizei eingegliedert wurde. Im Ernstfall steht dem zentralamerikanischem Staat jedoch die Schutzmacht USA zur Seite.
Die Generaldirektion Landesverteidigung ist auf drei Standorten (Wien, Graz, Salzburg) aufgeteilt. Kein militärischer Stab kann schon alleine durch diese räumliche Trennung vernünftig zusammenarbeiten.
Kritikpunkt 3: „Reform“ löst signifikante Pensionsabgänge in den kommenden Jahren nicht
Es ist richtig, dass es im Bundesdienst zu erheblichen Pensionsabgängen kommen wird, so auch im Bundesheer. Das ist aber keine überraschende Entwicklung.
Das Problem sind nicht die Personalabgänge, sondern die geringen Neuaufnahmen und Rekrutierungen.
Bundesminister Doskozil hat das bereits 2016 erkannt und daher eine Personaloffensive zur Aufnahme von jungen Frauen und Männern in das Bundesheer gestartet.
Die ÖVP unter Nehammer, Tanner und Kandlhofer geht nun allerdings den anderen, schwer erklärbaren Weg. Keine Personaloffensive, sondern Reduzierung der Arbeitsplätze. Das wird sich am Ende des Tages noch bitter rächen.
Die Reform löst das Personalproblem der Truppe nicht. Die hohe Anzahl an Austritten von Unteroffizier*innen und Offizier*innen zeigt, dass das Bundesheer nicht zuletzt wegen der vielen Reformen an Attraktivität eingebüßt hat.
Will man das Bundesheer stärken, braucht es Investitionen in Ausrüstung und die ausreichende Anzahl an Aufnahmen von jungen Frauen und Männern, die in einem attraktiven Bundesheer ihren Dienst machen wollen.
Kritikpunkt 4: Augenauswischerei – Reform führt nicht zu Effizienz- und Effektivitätssteigerungen
Die beiden Begriffe sind einfach nur Schlagworte, sofern sie nicht anhand von Faktoren und Kennzahlen gemessen werden. Es stellen sich daher folgende Fragen:
1. Welche Methode wurde zur Messung der Effektivität und Effizienz angewandt?
2. Wie hoch war die Effektivität und Effizienz in der bisherigen Führungsorganisation?
3. Wie hoch ist sie nunmehr?
Abschließend sei erwähnt, dass ich von Anbeginn darauf aufmerksam gemacht habe, dass diese Reform in der Realität scheitern wird.
Und auch intime Kenner der Materie sind der Ansicht, dass sich diese „ÖVP-Heeresstruktur made by Kandlhofer“ als Schuss ins eigene Knie entpuppen wird – und wir Jahre dafür brauchen werden, um die Fehlentwicklungen, die mit dieser Struktur verbunden sind, zu begradigen.
Fazit: Es wundert nicht, warum kein anderes Land, vielleicht mit Ausnahme von Costa Rica, seine Landesverteidigung dergestalt strukturiert. Warum wohl?
Darüber sollten einmal alle – allen voran Klaudia Tanner und ihr Generalsekretär Kandlhofer – nachdenken.