Zunehmende geopolitische Spannungen, Bedrohungen und Ängste
Gestern fand in der Wiener Bildungsakademie eine hochkarätig besetzte Veranstaltung mit dem Titel „Zunehmende geopolitische Spannungen, Bedrohungen und Ängste“ statt.
Gemeinsam mit Leyla Daskin (Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement), Marcus Schober (SPÖ-Landtagsabgeordneter) und Reinhard Krumm (Friedrich-Ebert-Stiftung) habe ich die sicherheitspolitischen Fragen unserer Zeit erörtert.
Im Bild (v.l.n.r.): Marcus Schober, Leyla Daskin, Moderator Gerhard Marchl (Karl-Renner-Institut), Robert Laimer und Reinhard Krumm.
Eine Frage lautete: „Für viele Österreicher sind diverse Konflikte weit weg. Man ist sich der Risse in der Europäischen Sicherheitsarchitektur oftmals gar nicht so bewusst. Es herrscht die Meinung vor: Österreich ist neutral, uns kann nix passieren. Was sind für Österreich die größten Bedrohungen von außen?“
Meine Antwort: „Ich muss hier widersprechen. Die Konflikte sind gar nicht weit weg, das spüren die Menschen auch bei uns in Österreich. Migration und Terrorismus sind Themen, die die Menschen bewegt. Und hier gibt es vielfach große Unsicherheit. Das merkt als Politiker besonders deutlich. Daher brauchen wir Antworten und vor allem Lösungen für die vielfältigen Probleme, die zweifelsohne existieren.
Die Österreicher haben realisiert, dass zwischenstaatliche und ethnische Konflikte mitunter auch bei uns auf Straßen ausgetragen werden. Zum Beispiel wenn türkische Nationalisten Kurdinnen und Kurden angreifen, jüdische Einrichtungen geschützt werden müssen oder arabisch-stämmige Jugendliche auf Schwarzafrikaner losgehen etc. Auch bei jungen Grundwehrdienern muss man darauf achten, dass österreichische Soldaten mit unterschiedlichen ethnischen Wurzeln nicht aneinander geraten, weil in ihren Herkunftsländern Kriege und Konflikte herrschen.
Auch der terroristische Anschlag vom November 2020 hat seine Ursachen in der Konfliktlage außerhalb von Österreich – das ist den Menschen bewusst. Wesentliche Veränderung hat natürlich die Flüchtlingskrise 2015 bewirkt. Trotz gegenteiliger Behauptungen sind Migrationsrouten – Stichwort Balkanroute – nicht geschlossen.
Heuer haben in Österreich knapp 14.000 Menschen um Asyl angesucht. Die Migration brachte nicht nur Konflikte, sondern auch enorme Herausforderung. Einerseits Rassismus und Populismus. Hetze im Internet gegen Menschen aus anderen Kulturen nehmen zu. Andererseits sind auch Gewaltdelikte und Sexualstraftaten sowie Gewalt an Frauen stark gestiegen. Der Fall Leonie im Juni dieses Jahres war ein besonders tragisches Beispiel.
Für mich sind gegenwärtig die größten Bedrohungen mit Außenbezug folgende: Cyberangriffe von staatlichen oder terroristischen Akteuren, ein bewusst herbeigeführter Blackout (totaler Kollaps der öffentlichen Versorgung), ein systemischer terroristischer Anschlag auf kritische Infrastruktur von regional agierenden terroristischen Organisationen wie dem IS und eventuell eine Eskalation im Mittelmeer (dies hätte auch Auswirkungen auf Österreich).
Auf diese Bedrohungslagen gilt es vorbereitet zu sein. Der Schutz der österreichischen Bevölkerung steht hier an erster Stelle. Daher hat die SPÖ ein neues Sicherheitsmodell für Österreich konzipiert, welches u.a. ein gesamtstaatliches Krisen- und Lagezentrum, einen Sicherheitspolitischen Koordinator und ein Terrorismusabwehrzentrum vorsieht. All das zum besseren Schutz der Österreicherinnen und Österreicher.
Wer mich kennt, der weiß, dass ich auch ein Anhänger der Neutralität bin. Wir sollten dies als Privileg sehen und positiv bewerten. Für mich bedeutet dieser Status jedoch auch eine aktive Vermittlerrolle in der Weltpolitik einzunehmen. Österreich hat diese Tradition jahrzehntelang gelebt und dafür von sehr vielen Staaten rund um den Globus sehr viel Respekt erfahren. Mittlerweile hat die ÖVP diese Position aufgegeben.
Neben einer starken rot-weiß-roten Außenpolitik sollte vor allem auch die UNO als kollektive Sicherheitsorganisation und die OSZE als koordinierende Sicherheitsorganisation proaktiv zur Stabilisierung und Mitgestaltung beitragen. Damit einhergehend muss Schluss mit dem Nation Building sein. Es braucht wieder mehr Respekt unter den Völkern... und keine Spaltung der Welt bzw. die Einteilung der Menschen in Gut und Böse.“