Ministerin Tanners türkiser Anti-EU-Populismus bedarf einer Richtigstellung

Die EU ist das, was die Mitgliedstaaten daraus machen. Das lernen bereits unsere Schüler*innen, die aus den bitteren Lehren ihrer Großeltern und Urgroßeltern das Aufwachsen in einem friedlichen Europa zu schätzen wissen. Doch wesentliche Errungenschaften der Vergangenheit und somit die Leistungen für Sicherheit und Verteidigung Europas werden von dem türkisen PR-Spin untergraben, wonach die EU für alles schlecht zu machen ist, nur damit man bei Stammtisch-Debatten von eigenen Verfehlungen ablenken kann.

Leider schließt sich die Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) dieser Realitätsverdrehung an und benutzt unseren Nationalfeiertag für eine nicht gerechtfertigte EU-Kritik. Während Tanner zwar die Taten des Bundesheeres zu Krisenzeiten in Österreich zu Recht unterstreicht, fordert sie nämlich die EU auf, endlich mehr für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) zu unternehmen. Wörtlich soll die EU nicht nur reden, sondern handeln. Damit soll den Bürger*innen suggeriert werden, dass, während unsere Soldat*innen COVID-19-Testungen durchführen, Lagerhäuser von Supermärkten befüllen und Altersheime unterstützen, "die EU" nichts für die Sicherheit und Verteidigung Europas tut. Dies geht jedoch weit an der objektiven Darstellung der vorherrschenden Bedingungen der europäischen Sicherheitspolitik vorbei.

Ich frage ganz offen:

1. Wo ist das aktive politische Einbringen Österreichs von Ministerin Tanner im EU-Rat für die gemeinsame europäische Verteidigung?

2. Welche Initiativen hat Ministerin Tanner eingeleitet, um die EU sicherheits- und verteidigungspolitisch zu stärken?

3. Was ist der österreichische Beitrag unter Ministerin Tanner zur GSVP?

Im Zuge der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag politisches Kleingeld auf Kosten der EU zu wechseln, halte ich für nicht staatstragend. Gerade vor dem Hintergrund der Tragödie in Afghanistan, wo andere EU-Staaten ihre eigenen und auch unsere Bürger*innen sowie Österreich schutzunterstellte Personen vor den Taliban sicher in die Heimat ausgeflogen haben, würde es der Verteidigungsministerin gut anstehen, sich bei unseren befreundeten EU-Staaten endlich zu bedanken - insbesondere bei deutschen und ungarischen Soldat*innen. Dies wäre zudem eine gute Gelegenheit, aktiv mehr Engagement in der GSVP einzubringen.

Mit einem der niedrigsten Verteidigungsbudgets EU-weit von 0,8% des BIP ist nicht nur der Beitrag für die Sicherheit Europas, sondern auch der Verfassungsauftrag des Bundesheeres im Inneren gefährdet. Ein Vergleich der Verteidigungsausgaben unserer EU-Nachbarstaaten 2021 gemessen am BIP drückt die Situation deutlich aus: Slowakei: 1,72%, Ungarn: 1,60%, Deutschland: 1,53%, Tschechien: 1,42%, Italien: 1,41% und Slowenien: 1,28%. Die ebenfalls neutrale Schweiz gibt zwar auch 0,8% des BIP für Verteidigung aus, aber netto sind diese Ausgaben mit rund 5,5 Mrd. Franken mehr als doppelt so hoch wie das österreichische Budget für das Bundesheer.

Während Reformen im BMLV und ÖBH unter Ministerin Tanner einem türkisen Machtrausch folgen und hauptsächlich politische Personalumfärbungen bezwecken, herrscht Ratlosigkeit und Frust unter den österreichischen Soldat*innen. Es ist unseren Soldat*innen hoch anzurechnen, dass sie trotz eklatanter personeller und ausrüstungstechnischer Mängel tapfer ihre Pflicht im Inland und Ausland erfüllen. Auf sie ist Österreich zu Recht stolz.

Dennoch bleibt angesichts der ungewissen Zukunft mit unzähligen elementaren sicherheitspolitischen Herausforderungen für Europa der Beitrag Österreichs für die gemeinsame Sicherheit und Verteidigung bescheiden - ganz anders als das breitbeinige Auftreten von Ministerin zu erwarten lässt. Es ist zudem wichtig, dass Tanner die künftige Arbeit von Generalstabchef Robert Brieger und seinem Expertenteam, der ab Juni 2022 als Vorsitzender des Militärausschusses der höchste General der EU sein wird, mit unbedachten Äußerungen nicht beschädigt. Tanner muss sich ein wenig vom türkisen Gängelband befreien und in ihrer Funktion Verantwortung für Österreich und Europa übernehmen.

Zurück
Zurück

Pressekonferenz: Gemeinsam stark statt einsam einbunkern!

Weiter
Weiter

Besuch der Deutschen Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) in Wien